„Sie sind so etwas wie Peter Radegast und Emir Mutapcic, Marco Baldi und Sasa Obradovic oder Marko und Svetislav Pesic: Nico Schröder und Jens Grube sind verantwortlich für die Basketball-Auswahl der Bundeswehr. Noch liegen die deutschen Soldaten und Soldatinnen im internationalen Vergleich mit Griechenland, Brasilien und Litauen zurück, doch daran soll sich in Zukunft einiges ändern, wie der Teamkoordinator der Bundeswehr-Korbjäger im BIG-Gespräch verrät.
von Sven Labenz
Was haben Sebastian Adeberg (ehemals VfL Kirchheim Knights), Steve Wachalski (Telekom Baskets Bonn), Matthias Grothe (Phoenix Hagen), Sebastian Barth (Erdgas Ehingen), Robert Kulawick (BG Göttingen) und Sebastian Fleischmann (rent4office Nürnberg) gemeinsam? Sie alle standen oder stehen im Dienste der Bundeswehr auf den Basketball-Parketts dieser Welt. Richtig gelesen: Im Rahmen des Conseil International du Sport Militaire (CISM) unter dem Motto „Friendship through Sports“ messen sich die deutschen Soldaten in interkontinentalen Wettkämpfen mit anderen Nationen.
Seit 1955 ist die Deutsche Bundeswehr Mitglied im Conseil International du Sport Militaire der Organisation für den Militärsport. 2015 finden in Süd-Korea die nächsten World Games statt, so etwas wie die Olympischen Spiele für Militäreinheiten. Chef der Soldaten-Auswahl ist Hauptfeldwebel Nico Schröder. Der 37-Jährige ist offiziell Teamkoordinator der Bundeswehr Mannschaft – sprich: Schröder koordiniert die deutschen Soldaten bei der Korbjagd, organisiert Lehrgänge, kümmert sich um Rekrutierungsmaßnahmen, die An- und Abreise und vielleicht auch darum, dass die Stuben der Jungs ordentlich gemacht sind. Diese Manager-Tätigkeit erstreckt sich über den männlichen und weiblichen Leistungsbereich der Bundeswehr-Auswahl.
Basketball ist in der Bundeswehr eher unbekannt
Im Gespräch mit BIG erklärt Schröder: „Bei anderen Nationen hat der Militärsport einen höheren Stellenwert und wird durch die Sportler vermehrt genutzt.“ Aus diesem Grund ist das Abschneiden der Bundeswehr-Dribbler um Steeples-Guard Sebastian Barth nicht immer auf den vorderen Plätzen möglich. Obwohl die Soldaten der Bundeswehr 2011 die inoffiziellen Nordeuropameisterschaften in München gewinnen konnten und sich 2013 erst im Finale der Auswahl der US Air Force Europe geschlagen geben mussten. Der ProA-Akteur sieht die Maßnahme als willkommene Abwechslung im Sommer: „Das Zocken mit den Jungs macht Spaß. Und es ist spannend zu sehen, wie die World Games ablaufen und welche Spieler die anderen Mannschaften aufbieten.“ Führende Länder bei der Basketball-Weltmeisterschaft der Soldaten sind Brasilien, Griechenland, Litauen, Italien oder Süd-Korea.
„Mit dem Wegfall der Wehrpflicht haben wir an Qualität auf dem Parkett eingebüßt. Spieler aus der 1. Regionalliga gehören aktuell bei uns zu den Leistungsträgern“, kommentiert Schröder, der im normalen Bundeswehr-Alltag als Ausbildungsplaner für Auslandseinsätze fungiert. „Andere Nationen können Spieler aus den jeweiligen Bundesligen in ihren Reihen aufweisen.“ Laut des Teamkapitäns könnten die führenden Soldaten-Teams als Playoff-Contender in der Beko Basketball Bundesliga bestehen.
2009 ist der Militär-Basketball in den Dornröschenschlaf verfallen
Der letzte große Erfolg einer Soldaten-Auswahl dieses Landes geht auf die Jahre 2009 und 2007 zurück, als man in Litauen Platz fünf erreichte und in Russland sogar nur knapp an der Bronzemedaille vorbeischrammte. „Danach ist Basketball etwas in den Dornröschenschlaf gefallen“, so Nico Schröder. Und damit meint der Hauptfeldwebel nicht nur die Bundeswehr-Equipe. Denn seit 2011, damals startete die Mannschaft nicht, fanden keine Militär Weltmeisterschaften mehr statt. Seit diesem Sommer hat sich das geändert; mit dem Regionalturnier in Frankreich wurde ein neuer Anfang gemacht. Die Soldaten bereiten sich derzeit auf die Teilnahme an den kommenden Weltmeisterschaften vor. In einzelnen Sichtungsmaßnahmen wird derzeit der endgültige Kader bestimmt. Gemeinsames Training oder regelmäßige Turniere haben Seltenheitswert. „Ehrlicherweise laden wir zu den Sichtungsmaßnahmen viel mehr Spieler ein als früher. Mit dem Wegfall der Wehrpflicht haben wir nicht mehr so viele Leistungssportler in den Sportfördergruppen und greifen nun doch schon mal auf den einen oder anderen Regionalligaspieler zurück“, berichtet Schröder. Der 37-jährige Berufssoldat ist selbst derzeit im Trainerstab der Telekom Baskets Bonn tätig und hat das orangene Leder erstmals 1983 in seiner Heimat Karl-Marx-Stadt kennen und lieben gelernt. Das Taktikbrett für die Bundeswehr schwingt übrigens Jens Grube aus Vilsbiburg – wie DBB-Bundestrainer Emir Mutapcic als Honorartrainer angestellt.
Im weiblichen Bereich startete die Mannschaft der Bundeswehr im Sommer erstmals und musste erkennen, dass es hier noch viel Nachholbedarf gibt. Startete man dort noch mit einem eher dünnen Kader von nur neun Spielerinnen, so ist dieser in den letzten Wochen auf stattliche 21 angewachsen und man schaut deutlich positiver auf die kommenden Maßnahmen. Top-Teams sind hier die Brasilianerinnen, die mit fünf Vollprofis eine starke Line-up auf das Parkett schicken können. Mehr als nur Zukunftsmusik für Deutschland. „In den kommenden Jahren wird es vermehrt Maßnahmen und Turniere geben. Zuletzt haben wir an einem Freundschaftswettbewerb in Frankreich teilgenommen. Im kommenden Jahr steht ein Turnier der Luftwaffe in England auf dem Terminplan“, blickt Nico Schröder auf die Vorbereitung für die ebenfalls in Frankreich stattfindenden Weltmeisterschaften der Damen.
Der Alltag für die Soldatinnen und Soldaten unterscheidet sich dabei nicht im Geringsten von dem einer normalen Auswahlmannschaft. Wer Bilder von kurzen Haarschnitten, nächtlichen Drill-Übungen oder kerzengraden Marschübungen vor Augen hat, irrt – wie auch der Teamkoordinator nur unterstreichen kann: „Selbstverständlich vertritt man als Teilnehmer unserer Basketball-Auswahl die Bundeswehr und damit auch unser Land. Als einziger Unterschied zu einer Nationalmannschaft steht bei Turnieren und Maßnahmen der Gedanke von CISM im Mittelpunkt, auf den die Soldaten eingeschworen werden: „Friendship through Sports.“
Und das ist ja bei Weitem nichts Schlechtes.“
Der Text ist entnommen aus Ausgabe 37 November 2014 BIG – Basketball in Deutschland: In the Army Now von Sven Labenz.